GERADEWEGS AUF DICH ZU

8. August 2021: Über frontale Reize im Mensch-Hunde-Alltag.

Reize die schnell, plötzlich und/oder laut auftreten erschrecken, machen Angst – nicht nur uns, sondern allen Lebewesen; Wildtieren und vor allem auch unseren vierbeinigen Hundefreunden.  

Immer wieder stelle ich während dem Bearbeiten von Verhalten fest, dass frontale Begegnungen mit Reizen für viele Hunde schwer auszuhalten sind. Kommt etwas schnell aber seitlich, können viele Individuen einfacher damit umgehen, als wenn etwas frontal und distanzverringernd auf sie zu kommt.

Nun, in unserer Welt wimmelt es von frontalen, distanzverringernden Reizen: Velos, Menschen, Menschen mit Hunden, Kinder, Trottis, Mofas und E-bikes, Jogger, Autos… sie alle machen, was in unseren Breitengraden normal ist: sie folgen Wegen, Strassen, Trampelpfaden. …und sie machen es ganz oft: schnell, zügig, mit Motor, damit es noch schneller vorwärtsgeht.

Wenn wir nun ebenfalls während dem Hundespaziergang eher zügig unterwegs sind ergeben sich solche schwer auszuhaltenden Situationen: zwei Reize begegnen sich frontal mit sehr schnell distanzverringerndem Charakter.

Die Bilder kennen wir: bellende, nach vorn in die Leine springende Hunde. Oder wenn’s etwas leiser läuft: wuffen, knurren oder kurz nach vorne gehen. So oder so, es geht unserem Hundefreund nicht gut dabei: also los, auf ins Training.

Was hilft? „Frontales“ rausnehmen! Aber wie?

Wichtig für das Bewegen im Alltag mit unserem Hund ist das passende Equipment: ein gut sitzendes Brustgeschirr und eine etwas längere Leine, ca. 3-4 Meter lang, sind gute Voraussetzungen für ein entspanntes unterwegs sein. So sind die Voraussetzungen für etwas mehr Raum beim Begegnen mit Reizen schon mal gegeben. Eine 1.5 Meter lange Leine schafft das nicht, alles wird noch schwieriger…

Geeignete Werkzeuge, die ich im Alltag beim Begegnen mit Reizen benutzen kann, übe ich losgelöst vom Begegnungskontext. Schritt für Schritt werden die Verhalten aufgebaut, generalisiert und schlussendlich unter Signal gestellt.  Vorerst manage ich im Alltag und eigne mir und dem Hund passende Lösungsstrategien im Training an. Wohlbefinden, Kleinschrittigkeit, frustrations- und fehlerarmes Lernen stehen über allem.

Sinnvolle Trainingswerkzeuge für den Begegnungskontext sind:

  • An der Seite vom Menschen gehen: locker neben seinem Menschen gehen ist ein tolles Verhalten, das im Alltag sehr hilfreich ist und ich in so vielen Situationen nutze. Es geht hier nicht um ein Fusslaufen, das sehr nahe am Menschen und mit Blick zu ihm ist, wie es im Hundesport angewendet wird. Das macht schrecklich wenig Sinn.
  • Umorientierung auf Signal: das Umorientierungssignal bedeutet für mich die Welt im Alltag mit meinem Hund. Es bedeutet: lös dich kurz vom Reiz, tauch kurz aus deiner Welt auf. Ist das auf Signal ausführbar stehen dir tatsächlich ALLE Türen offen!
  • Pendeln: eigentlich wie das „an der Seite vom Menschen gehen“, ein Verhalten der Leinenführigkeit. Nur noch viel effekt-tiefer, da es noch mehr „frontales“ aus der Situation nimmt.
  • Deeskalierend sitzen: seitlich abgewendet sitzen, mit der Möglichkeit zum Hinschauen und Wahrnehmen. Es hilft nicht nur deinem Hund, sondern wirkt auch auf das entgegenkommende Individuum – eben: deeskalierend.
  • …und natürlich: Markersignale

Neben dem Erlernen von passenden Alternativverhalten, die auf Signal ausgeführt werden sollen, macht es Sinn, dem Hund mehr Selbstsicherheit im Begegnungskontext zu lehren. Erkläre deinem Hund deine, für ihn so komplizierte und schwierige Welt, – es ist wirklich deine Pflicht, dir darüber Gedanken zu machen, wie du deinem Fellfreund hilfst, sich in deiner Welt wohl zu fühlen.

Was bedeutet das?

Gib deinem Hund Zeit und Raum, sich mit Reizen auseinandersetzen zu können, so dass er sich dabei immer wohl fühlt. Sie achtsam und lerne, wie dein Hund lernt. Schau ihn nicht nur an, sondern versuche zu sehen, wie er sieht. Auch das trainierst du nicht „im Alltag, wenn die Reize schon auf euch zu fliegen“, sondern in gut strukturierten Trainings.

Merke dir für den Alltag bei frontalen und schnell distanzverringernden Begegnungen folgende Punkte:

  • Tempo verlangsamen
  • Atmen!
  • Auf die Körpersprache deines Hundes achten
  • Helfen, indem du die passenden und gut trainierten Alternativverhalten (siehe oben) abfragst

Reize – Verhalten – Konsequenzen, das Leben mit deinem Hund ist geprägt von Lernerfahrungen, die wiederum Verhalten beeinflussen. Ich wünsche dir ganz viel Freude beim Schreiben eurer persönlichen Lerngeschichte, herzlich, Fränzi & Alawei.

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By Fränzi